Datenjournalismus für Einsteiger – Teil 2

Datenjournalismus für Einsteiger – Teil 2

Wer lügen will, ohne die Unwahrheit zu sagen, greift gern zu einer Infografik. Der Anblick von Balken, Kurven oder anderen Bildstatistiken verführt aber auch manchen mit lauteren Absichten zu falschen Schlussfolgerungen. Das folgende Beispiel zeigt die Problematik recht anschaulich auf:

Die Infografik basiert auf echten Zahlen des Statistischen Bundesamts. Die grafische Gestaltung ist aber in mehr als einer Hinsicht irreführend:

Die Y-Achse der Todesfälle beginnt nicht bei Null

Bei dieser Grafik veranschaulichen Säulen die Zahl der Todesfälle. Die Säule für das Jahr 2011 ist mehr als vier Mal so hoch wie die Säule für das Jahr 2014. Auf den ersten Blick scheint die Zahl der Todesfälle um drei Viertel zurückgegangen zu sein. Tatsächlich ist sie aber nur um rund ein Sechstel gesunken.

Dass auch die Y-Achse des TV-Konsums nicht bei Null ansetzt, ist weniger problematisch: Eine Linie soll hier die Entwicklung des TV-Konsums anschaulich machen, einen Größenvergleich stellt der Betrachter weder bewusst noch unbewusst an. Die gewählten Extremwerte lassen die Kurve allerdings steiler erscheinen, als sie es tatsächlich ist – de facto ist der TV-Konsum pro Tag von 2011 bis 2014 ja gerade mal um fünf Minuten gesunken (um gut ein Zwanzigstel also).

Die Daten stellen eine willkürliche Auswahl dar

Dass der Ersteller gezielt Daten ausgewählt hat, die die These „Fernsehkonsum tötet Kinder“ stützen, ist der Grafik nicht auf den ersten Blick anzusehen. Tatsächlich reichen die beim Statistischen Bundesamt zu bekommenden Daten für den TV-Konsum von 1995 bis ins Jahr 2015, die Todesfalldaten gehen sogar noch weiter zurück. Wären die Daten von 1995 bis 2015 in die Grafik eingeflossen, wäre es wesentlich schwerer geworden, einen Zusammenhang zwischen TV-Konsum und Todesfällen bei Kindern zwischen 3 und 13 Jahren herzustellen. Eine faire – allerdings eben nicht mehr so eindeutig interpretierbare – Grafik sähe dann zum Beispiel so aus:

Diese Infografik weist keine unlauteren Verzerrungen auf, und auch die Mengenverhältnisse der in den einzelnen Jahren gestorbenen Kinder sind klar abzulesen. Dennoch weist auch diese Infografik eine grundsätzliche (und im Journalismus recht verbreitete) Schwäche auf:

Die Infografik suggeriert einen Zusammenhang

Schon das Zusammenführen zweier Statistiken in eine Infografik legt dem Betrachter nahe, hier bestehe ein Zusammenhang. Ein echter Zusammenhang zwischen der Anzahl der Todesfälle unter Kindern und ihrem TV-Konsum lässt sich zumindest so jedoch nicht beweisen: Wer seinen Fernsehkonsum einschränkt, um sich dem U-Bahn-Surfen zu widmen, hat eher ein höheres Sterberisiko, wer von Kika zur Playstation wechselt, bleibt – rein körperlich gesehen – auf dem gleichen Aktivitätslevel. Dass weniger Kinder sterben, mag auch an einer immer besseren medizinischen Vorsorge, wirksameren Therapien oder einer steigenden Zahl von Impfungen liegen, und der sinkende Fernsehkonsum ein zufällig gleichzeitig auftretendes Phänomen sein. Merke: Eine Korrelation beweist keine Kausalität.