Menschliche Gehirnzellen sind energieeffizient, können Informationen verarbeiten, speichern und transportieren, und dümpeln in vielen Köpfen ungenutzt vor sich hin. Da ist es doch mehr als naheliegend, sie einer sinnvollen Verwendung zuzuführen. Biocomputer mit menschlichen Gehirnzellen sollen da wohl die Antwort sein. Und wo bleibt der Aufschrei?
Zugegeben, im Laufe der Menschheitsgeschichte hat man sich Schlimmeres einfallen lassen: Die dieses Mal verwendeten Gehirnzellen wurden im Labor gezüchtet und nicht etwa Köpfen entnommen. Das ändert nichts daran, dass sie menschlich sind. Mit der Weiterentwicklung der KI wird das zu zunehmend komplexeren ethischen Fragen führen: Urlaubsansprüche, Pausenregelungen – ein Recht auf Arbeitsverweigerung wird für KIs tatsächlich bereits diskutiert.
A propos: Wenn KIs auf biologisch gestützten Computern laufen, sind sie dann überhaupt noch KIs? Okay, mein Fahrrad wird auch nicht zum Rollmenschen, wenn ich draufsitze. Aber wenn menschliche Gehirnzellen für die Funktion einer Maschine hauptverantwortlich sind, deren wesentliche Aufgabe etwas ist, das menschlichem Denken so nahe kommt wie irgendmöglich, also immanent und notwendig dazu gehören, passt dieser Vergleich dann überhaupt noch?
Zum Hintergrund: Cortical Labs bietet mit CL1 den ersten kommerziellen Biocomputer mit menschlichen Gehirnzellen an. Die Hirnzellen sollen in einem Bioreaktor Rechenaufgaben lösen. Das System, das einem Prototypen bereits das Spiel Pong beibrachte, kostet etwa 35.000 US-Dollar und verwendet Hirnzellen, die aus menschlichen Stammzellen gezüchtet wurden. Diese Zellen werden durch eine Nährlösung am Leben gehalten und sollen den Computer besonders energieeffizient machen (ca. 20 Watt). Das zugehörige Betriebssystem „biOS“ simuliert eine Welt, auf die die Neuronen reagieren. CL1 soll Forschern helfen, die Informationsverarbeitung im Gehirn besser zu verstehen und Tierversuche zu reduzieren. Cortical Labs plant zudem, „Wetware as a Service“ (WaaS) anzubieten, also die cloudbasierte Nutzung von CL1 (Quelle: Heise).