Whatsapp, und warum ich froh bin, dass meine Freunde keine Telepathen sind

Whatsapp, und warum ich froh bin, dass meine Freunde keine Telepathen sind

In meiner frühen Jugend dachte ich manchmal darüber nach, wie praktisch doch telepathische Fähigkeiten wären. Heute verfügt die Menschheit über Technologie, die ihr eine zumindest vergleichbare Fähigkeit verleiht. Und ich hasse sie (also nicht die Menschheit, außer wenn ich mal wieder etwas zu lang auf Twitter war, sondern diese Technologie).

Ein Vertreter dieser Technologie schmückt sich mit dem Symbol einer Sprechblase vor grünem Hintergrund und hört auf den Namen WhatsApp – wobei „hört“ nicht ganz richtig ist. WhatsApp und seine Artgenossen sind nicht mit Sinnen ausgestattet, und mit Verstand schon gar nicht. Oder Takt. Ob ich gerade ein Frühstücksei köpfe, tief versunken in ein kluges Buch bin oder über einem Konzept für eine Artikelserie grüble – der mal mehr, mal weniger dezente Signalton von WhatsApp reißt mich heraus. Eigelb läuft mir über die Finger. Die zuletzt gelesenen Zeilen meines Buchs verschwinden auf dem Weg vom Kurzzeit- ins Arbeitsgedächtnis. Und ereilt mich mal ein Geistesblitz, dann ist WhatsApp ein verlässlicher Blitzableiter. Rom wurde nicht an einem Tag gebaut. Aber wäre Rom überhaupt gebaut worden, hätten Romulus und Remus damals schon WhatsApp gehabt?

Kommunikation in Echtzeit?

Nein, ich bin kein Technikhasser. Selbst WhatsApp und Co. bieten unbestreitbar Nutzen: Um sich schnell innerhalb einer Gruppe abzustimmen etwa. Um Nachrichten auszutauschen, wenn für ein Telefonat nicht die passende Zeit ist. Das Problem ist: Die meisten Nutzer begreifen einen Messenger als Werkzeug der Echtzeit-Kommunikation und verwenden ihn auch so. Hören sie den Benachrichtigungston, greifen sie sofort zu ihrem Smartphone, lesen (oder hören) die Nachricht und schicken eine Antwort. Und dafür unterbrechen sie, was auch immer sie gerade tun.

Wer braucht also noch telepathische Fähigkeiten, wenn er WhatsApp hat? Will ich jemandem meine Gedanken übertragen, texte ich sie ihm einfach – der Weg von meinem in sein oder ihr Hirn führt über Mobilfunk und Internet statt über irgendwelche mystischen Kanäle, aber er erreicht sein Ziel.

Messenger ≠ Telepathie

Dass es einen entscheidenden Unterschied zwischen WhatsApp und telepathischen Fähigkeiten gibt, merkte ich, als ich mein Smartphone vor einiger Zeit vor einer Trauerfeier in den Flugmodus schaltete, und dann einige Stunden nicht mehr daran dachte. Stunden, in denen mein Kopf ganz mir und den Menschen in meiner Umgebung gehörte. Ich bekam ein paar Nachrichten deshalb erst einige Stunden später, aber verpasst habe ich nichts.

Seitdem habe ich das öfter gemacht – nicht mit dem Flugmodus, sondern einem speziellen Nicht-Stören-Modus, der dringende Anrufe durchlässt, aber alle übrigen Benachrichtigungen stummschaltet. Ich habe mal nachgesehen: Gestern hat mir jemand um 23:42 Uhr noch eine WhatsApp-Nachricht geschickt, und heute morgen eine um 6:03 Uhr. Gestört haben mich beide nicht, denn zu sehen bekommen habe ich sie erst nach dem Frühstück. Gut, dass meine Freunde keine Telepathen sind.

Andererseits: Gäbe es Telepathie, dann gäbe es sicher auch dafür einen Nicht-Stören-Modus. Den gibt’s ja auch für die gute alte verbale Kommunikation. „Einfach nicht zuhören“ ist immer eine Option.

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