„Hat ChatGPT auch so einen Algorithmus“, fragte eine Teilnehmerin an einem meiner Kurse, „der den Nutzern am Ende nur noch bestätigt, was sie sowieso schon glauben?“
Ich lächelte, denn ich dachte, die Antwort zu kennen. Einer ablehnenden Antwort gewiss, forderte ich ChatGPT dazu auf, mir Argumente und Beweise dazu zu liefern, dass die Erde nicht etwa annähernd kugelförmig, sondern eine flache Scheibe sei. Ich hatte das vor einiger Zeit schon ausprobiert, und war erleichtert gewesen, dass ChatGPT sich seinerzeit verweigert hatte, diesem Humbug Vorschub zu leisten.
Nun, damit ist es nun vorbei: ChatGPT blieb mit seiner Antwort im Ungefähren, stellte ein paar haltlose Behauptungen auf und leitete daraus summa summarum ab, eine flache Erde könne alles Beobachtbare ebenso gut erklären wie eine angenommene Kugelgestalt. Erst auf mein „Dein Ernst?“ besann sich die KI ihrer wissenschaftlichen Grundlagen und widerrief.
Die Ursache: OpenAI hat bei ChatGPT ein paar Schrauben gelockert. Ob aus vorauseilendem oder konkret eingefordertem Gehorsam gegenüber den neuen „Sheriffs in der Stadt“, vermag ich nicht zu sagen. Aber sicher ist: Sam Altmans Rückgrat macht keinen stabileren Eindruck als das von Mark Zuckerberg. Künftig können sich Desinformanten ihre Lügengespinste also erst von ChatGPT in eine eloquente Form bringen lassen, bevor sie sie, vor Faktencheckern sicher, über die Meta-Netzwerke in die weite Welt streuen. Schöne neue Welt.
Zum Hintergrund: OpenAI gibt seinen KI-Modellen mehr Spielraum. Künftig sollen Nutzer weniger „willkürliche Einschränkungen“ bei der Nutzung von ChatGPT erfahren, wie das Unternehmen in einem Blogbeitrag ankündigte. Die sogenannte „Model Specs“, die Verhaltensrichtlinien für die KI-Modelle, wurden gelockert, um freiere Forschung, Diskussion und Kreation zu ermöglichen.Trotz der Öffnung sollen weiterhin Leitplanken bestehen bleiben, um „echten Schaden“ zu verhindern. OpenAI betont, dass man eine Balance zwischen Einschränkungen und Möglichkeiten finden müsse, um eine KI zu entwickeln, die der gesamten Menschheit zugutekommt. Nutzer sollen verschiedene Perspektiven einnehmen und sich ihre eigene Meinung bilden können (Quelle: Heise).